Also, von mir aus by Fossum

Also, von mir aus by Fossum

Autor:Fossum [Fossum]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-11-15T16:00:00+00:00


Ich habe jetzt einen Arzttermin, sagte ich am Abend beim Essen. Das war praktisch die einzige Gelegenheit, zu der wir ein paar Worte wechselten. Lillian lächelte aufmunternd.

Gut, sagte sie. Dann können sie feststellen, was los ist.

Ihr Ton war nicht mehr ganz so ironisch, endlich hatte sie den Ernst der Lage erfaßt.

Wann denn? fragte sie.

Ich mußte Datum und Uhrzeit nennen, und sie verdrehte die Augen.

So lange hin? Ich habe neulich sofort einen Termin bekommen. Warum mußt du so lange warten?

Da ist sicher viel Betrieb, meinte ich und widmete mich der Leber. Sie hätte zur Leber Zwiebeln braten müssen, es fehlten Champignons, aber ich sagte nichts.

Na ja. Dann mußt du noch zwanzig Tage durchhalten. Aber das schaffst du schon. Du bist doch so geduldig.

Sie machte sich keine Sorgen. Das war ihr offenbar nicht möglich. So tief war sie gesunken. So wenig bedeuteten wir einander. Ich aß meine Leber und legte mich aufs Sofa. Im Grunde konnte ich als krank gelten, ich stand beim Arzt auf der Warteliste, und über meinem Kopf schwebte ein überaus ungewisses Schicksal. Es galt, die verbleibenden Tage zu genießen. Mir ging auf, daß es sich bei diesen zwanzig Tagen um die letzten sicheren Tage meines Lebens handeln konnte. Daß ich mich einem Punkt näherte, an dem sich womöglich alles änderte. Lillian war sich dieser Tatsache offensichtlich in keiner Weise bewußt. Sie nahm ein Fußbad. Die ganze Wohnung roch nach Fichtennadeln. Was Arvids Gebet betraf, so konnte ich es förmlich spüren. Ja, ich bin sensibel, und er ist zuverlässig. Die zwanzig Tage jagten dahin, viel zu schnell, wie ich fand. Plötzlich saß ich in Dr. Rødes Sprechzimmer, mit dem Gefühl, aus großer Höhe direkt in den Korbsessel geplumpst zu sein.

Eckel? fragte Dr. Røde und musterte mich neugierig, als glaube er, sich verhört zu haben. In seinem Computer mußte mein Name natürlich richtig stehen.

Eckel mit ck, sagte ich. Er klapperte drauflos. Hinter seiner Stirn spielten sich witzige Dinge ab, das war nicht zu übersehen.

Was kann ich für Sie tun? fragte Dr. Røde.

Das war doch wirklich rührend. Ich war zutiefst bewegt. Aber ich bin keiner, der sich aufgrund von Bagatellen in Sentimentalität verliert, und ich hatte mich gründlich vorbereitet. Ich wollte nicht jammern oder klagen. Sondern kurz und bündig meine kleine Beobachtung schildern, diesen Druck im Hinterkopf, und das Ganze zugleich als nicht so bedeutend darstellen. Er musterte mich eingehend, während ich sprach. Wenn er das beschriebene Symptom außergewöhnlich oder interessant fand, so zeigte er das nicht. Er erhob sich, trat hinter meinen Rücken und legte mir die Hände auf den Kopf. Sein weißer Kittel streifte den Rücken meiner Jacke, ich hörte das sanfte Rascheln des Stoffs. Er ließ seine Finger über meinen Nacken gleiten. Seine Hände waren fest und stark. In seinen Fingern lagen Kraft und Sicherheit, und ich fühlte mich geborgen und verstanden.

Sagen Sie Bescheid, wenn ich den genauen Punkt erreicht habe, sagte Dr. Røde, und seine Fingerspitzen drückten sich vorsichtig auf meine Kopfhaut. Auf der linken Seite, sagte ich mit gepreßter Stimme, mir war etwas in den Hals geraten, und ich konnte mich nicht räuspern.



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